Agnieszka Kowaluk ist in München lebende Polin.
Unter anderem ist sie Journalistin und Schriftstellerin.
Sie schrieb das Buch „Du bist so deutsch! Mein Leben in einem Land, das seine Tugenden nicht mag“.
Zur Zeit unterrichtet sie Deutsch als Fremdsprache, u.a. für Flüchtlinge.
Hier ihr Text:
Für ein schmackhaftes Ergebnis – teilen und tauschen
Es war einer dieser Tage, an denen zwischen zwei Terminen keine Zeit blieb, ein Mittagessen zu kochen und es blieb nur eines: das Essen für die Familie unterwegs bei einem Take-Away zu holen, was in unserer Gegend kein Problem darstellt. Im Gegenteil ist es eher eine sportliche Herausforderung, so schnell wie möglich an all den kleinen Restaurants vorbeizuradeln, ohne der Versuchung zu erliegen, elegante Plastikschalen voll duftender koreanischer, thailändischer oder italienischer Nudeln davonzutragen. Aber heute nicht. Heute bremse ich an einer bayerische Fütterungsstätte, einer echten Schwabinger Institution.
Ich hole panierten Fisch mit Kartoffelsalat – hierzulande ein Klassiker, aber auch eine Kombination, die jeder polnischen Hausfrau den Atem stocken lässt: warm mit kalt, dafür kein Gemüse (sałatka), wenn man das Zitronenachtel außer acht lässt.
Ich nehme den rheinischen Kartoffelsalat als Beilage und lasse den bayerischen links liegen. Dieser erinnert noch nicht mal an Kartoffeln, während in dem anderen immerhin so was wie Kartoffelstückchen zu erkennen sind. Zusammen mit Essiggurken schwimmen sie in Mayonnaise. Ich hole tief Luft. Als Paradebeispiel einer gelungenen Integration fühle ich mich verpflichtet, ab und zu deutsche Spezialitäten zu würdigen. Außerdem habe ich einen Erziehungsauftrag! (Dass das Töchterchen den Kartoffelsalat später natürlich nicht anrühren wird, muss nicht extra erwähnt werden).
Dabei habe ich kein Problem mit Mayonnaise – ich liebe sie, wie die meisten Polen, ich kenne sogar ihre Geschichte! (Sie hat mit Napoleon zu tun – wie vieles, was gut schmeckt.) In Deutschland ist dies ein gewagtes Statement. Zu sagen, mag esse gern Mayo, gleicht einem Bekenntnis, man finde Kohlgruben besser als Windräder. Nicht cool.
Das Problem ist die deutsche Mayonnaise. Und die deutschen Essiggurken.
Man kann bestimmte Sachen an Deutschland lieben oder mögen, oder wenigstens schätzen. An andere kann man sich gewöhnen. Und an manche niemals – da hilft der beste Integrationskurs nicht. Die deutsche Mayonnaise und die deutschen Essiggurken sind und bleiben für den polnischen Gaumen ein Missverständnis. Und wie es den Weißwurstäquator gibt, so gibt es offensichtlich Mayo-Zonen und Mayo-Grauzonen. Graue Flecken wie diejengen, die in grauer Vorzeit im Fernsehen auf westdeutschen Wetterkarten Polen darstellten. Ich finde es nicht schlimm. Sollen die Bayern doch ihre BMWs und ihren Obatzda produzieren, Polen sich auf Quark und Salzgurken spezialisieren, soll Deutschland den größten Exportüberschuss und ihren bewunderten Pressekodex haben, die Polen Solidarność und die besten Putzfrauen.
Die erzdeutsche Erfindung, der Kartoffelsalat, schmeckt am besten mit polnischer Mayonnaise und polnischen Salzgurken. Wir sollten das akzeptieren und uns gegenseitig ergänzen. Teilen und tauschen. Wie die Schulbrote früher. So einfach ist das.
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Agnieszka Kowaluk